Gynäkologen und Reproduktionsmediziner warnen: Chemikalien gefährden die Fortpflanzungsgesundheit

Krankmachende Chemikalien: Gynäkologen und Reproduktionsmediziner warnen vor Gesundheitsschäden durch Schadstoffe

WECF begrüßt die Erklärung internationaler Gynäkologen, Fortpflanzungsmediziner und Wissenschaftler zu Gesundheitsschäden durch giftige Chemikalien in Verbraucherprodukten

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München/Brüssel/Vancouver,  1. Oktober 2015 – WECF, Women in Europe for a Common Future, mit Sitz in München, und HEAL, Health and Environment  Alliance, zwei europäische Gesundheits- und Umweltorganisation begrüßen die Erklärung der Internationalen Föderation der Gynäkologie und Geburtshilfe (FIGO) zu gesundheitlichen Risiken für Frauen und Kinder, die von der alltäglichen Exposition gegenüber toxischen Chemikalien ausgehen. (1)

Die Erklärung von FIGO mit dem Titel “Sondermitteilung: Der Einfluss von giftigen  Umweltchemikalien auf die Fortpflanzungsgesundheit“ stellt fest, dass „die Exposition gegenüber toxischen Umweltchemikalien während der Schwangerschaft und Stillzeit allgegenwärtig und eine Bedrohung für die menschliche Fortpflanzungsgesundheit ist.“ Die Erklärung bezieht sich auf Untersuchungen, die belegen, „dass praktisch alle schwangeren Frauen chemisch belastet sind und Babys bereits vor-belastet geboren werden“.

Besonderen Anlass zur Besorgnis bietet die Exposition gegenüber Stoffen, die als endokrin (oder hormon-) wirksame Substanzen (EDCs) bekannt sind. „Eine besonders negativer Effekt der allgegenwärtigen Belastung durch Umweltchemikalien ist die Störung hormoneller Prozesse, die die gesunde menschliche Fortpflanzung und Entwicklung regulieren“, so die Erklärung.

Endokrin wirksame Substanzen befinden sich in Lebensmittelverpackungen, Pestiziden, Kosmetika, chemischen Beschichtungen von Haushaltsprodukten und vielen anderen Produkten. Viele der Wissenschaftler(innen), die zu diesem Thema forschen, sind sich darin einig, dass diese Stoffe zur steigenden Inzidenz von vielen Krankheiten beitragen.

Fehlgeburten und Totgeburten, fötale Wachstumsverzögerungen, angeborene Fehlbildungen, Beeinträchtigung der Entwicklung des Nervensystems und der kognitiven Funktion sowie die Zunahme an Krebserkrankungen, Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS  und Hyperaktivität sind nach dem Statement von FIGO auf der Liste der Gesundheitsstörungen, die mit der Exposition gegenüber Chemikalien wie Pestizide, Luftschadstoffe, Kunststoffe, Lösungsmittel[1] und mehr in Verbindung gebracht werden.

WECF, Women in Europe for a Common Future

WECF tritt seit 20 Jahren für einen besseren  Schutz vor gesundheits- und umweltgefährdenden Chemikalien ein und unterstützt ausdrücklich die Erklärung von FIGO. „Schwangere und Kinder sind besonders sensibel für gesundheitsgefährdende Chemikalien. Mütter geben den Giftcocktail an den Fötus oder beim Stillen an ihr Baby weiter. Endokrin wirksame Substanzen stellen dabei ein besonderes Problem dar. Bereits geringe Mengen können eine nachhaltige negative Wirkung auf die Gesundheit haben. Es ist Aufgabe der Politik, Menschen vor derartigen Chemikalien, vor allem in Produkten des täglichen Bedarfs, zu schützen. Solange dies nicht geschieht, ist Aufklärung sehr wichtig“, so Alexandra Caterbow, Chemikalien und Gesundheit Koordinatorin von WECF.

FIGO fordert Geburtshelfer, Gynäkologen, Fortpflanzungsmediziner, Hebammen und andere medizinische Fachkräfte auf, sich für eine Politik stark zu machen, die die Exposition gegenüber toxischen Umweltchemikalien verhindert, daran zu arbeiten, allen ein gesundes Nahrungsmittelsystem zu gewährleisten, Umweltgesundheit zum Teil der Gesundheitsversorgung zu machen sowie sich für Umweltgerechtigkeit einzusetzen.

Positiv zu dieser Erklärung äußert sich auch die in Brüssel ansässige Health and Environment Alliance (HEAL). „Die Erklärung von FIGO kommt zu einem wichtigen Zeitpunkt“, betont Genon Jensen, Geschäftsführerin von HEAL. „Die Europäische Kommission schafft es nicht über eine vollständige Implementierung der Pestizidrichtlinie endokrin wirksame Substanzen zu regulieren. (2) Die Europäische Union sollte den Weg für die Verringerung schädlicher Expositionen gegenüber Giftstoffen in Lebensmitteln und Konsumgütern bereiten. Dies ist eine große Chance die Gesundheit der Menschen zu verbessern und Gesundheitskosten zu sparen. (3)

Hintergrundinformation
Die Internationale Föderation für Gynäkologie und Geburtshilfe (International Federation of Gynecology and Obstetrics, FIGO) ist eine Non-Profit-Organisation und vereint geburtshilfliche und gynäkologische Verbände aus 125 Ländern / Regionen weltweit. FIGO widmet sich der Verbesserung der Gesundheit von Frauen und Frauenrechte sowie der Verringerung der Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung für Frauen und Neugeborene und der Förderung der Wissenschaft und Praxis von Geburtshilfe und Gynäkologie.

Die Erklärung wurde anlässlich des  21. Weltkongresses von FIGO, der vom 4.-9. Oktober in Vancouver stattfindet und zu dem mehr als 7000 Mediziner und Wissenschaftler erwartet werden, in der Internationalen Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe (International Journal of Gynecology and Obstetrics)  veröffentlicht. Link:http://dx.doi.org/10.1016/j.ijgo.2015.09.002

 

Hinweise und Quellen:
(1) Die hier angeführten Zitate sind der offiziellen Pressemitteilung von FIGO entnommen (Link siehe oben). Zitiert sind: Gian Carlo Di Renzo, MD, PhD, FIGO Honorar Sekretär und Hauptautor der FIGO Stellungnahme und Professor Sir Sabaratnam Arulkumaran, FIGO Präsident, ehemaliger Präsident der British Medical Association und Professor Emeritius Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum St George, London.

(2) In der EU wurde 2009 ein Gesetz eingebracht, um die Vermarktung hormonell wirksamer Pestiziden zu verbieten, das bis heute  noch nicht umgesetzt worden ist. Weitere Informationen finden Sie unter: CHEM Trust «Hormonell wirksame Substanzen (EDCs) und ihre Wissenschaft & Regulierung: Antworten auf einige häufig gestellte Fragen, http://www.chemtrust.org.uk/wp-content/uploads/CHEM_Trust_EDC_FAQ.pdf

Ein Beispiel für eine Chemikalie, die verboten werden könnte, wenn die Gesetzgebung umgesetzt werden würde, ist das als endokrin wirksam verdächtigte Glyphosat, das im Herbizid Roundup gefunden wurde. Im März diesen Jahres teilte die zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) mit, dass Glyphosat, Hauptbestandteil in Roundup der Firma Monsanto und eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Herbizide, „wahrscheinlich, krebserregend“ ist. (Quelle: Lancet Oncology, Kanzerogenität von Tetrachlorvinphos, Parathion, Malathion, Diazinon und Glyphosat, Volume 16, No. 5, p490-491, Mai 2015 http://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045 ( 15) 70134-8 / abstract)

(3) Die Kosten, die der Europäischen Union aufgrund der Exposition gegenüber endokrin wirksamen Substanzen entstehen wurden kürzlich mit circa 157 Milliarden Euro pro Jahr beziffert; (siehe hierzu: Trasande L, Zoeller RT, Hass U, Kortenkamp A, Grandjean P, Myers JP, et al. Estimating burden and disease costs of exposure to endocrine
-disrupting chemicals in the European Union. J Clin Endocrinol Metab 2015;100(4):1245–55)

Quelle: WECF Germany
Internet: www.wecf.eu

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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