Muttermilch ist ein Schatz, der einfach nicht zu toppen ist

Nach der Geburt werden in Deutschland noch 90 Prozent aller Babys gestillt, im zweiten Monat bekommen jedoch nur noch 60 Prozent von ihnen die Brust. Das ist sehr schade, bedauert die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme: Besser wäre es, wenn die Kinder in den ersten vier bis sechs Monaten ausschließlich gestillt werden würden. Auch danach, wenn das Kind feste Beikost bekommt, kann und sollte es weiterhin gestillt werden, solange Mutter und Kind dies möchten. Es bestehen nämlich nach wie vor deutliche Unterschiede zwischen der Muttermilch und den modernen Säuglingsnahrungen.  

„Bei aller Bemühung der Forschung um die ständige Verbesserung der Flaschennahrung erweisen sich die Vorteile der Muttermilch immer noch als unerreichbar. Sie ist wirklich ein Wunder der Natur“, sagt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Sie enthält eine geradezu phantastische Anzahl von über tausend Komponenten und praktisch alles, was das Baby im ersten Lebenshalbjahr zum gesunden Wachsen benötigt. Die Muttermilch enthält Antikörper und Abwehrstoffe, die in der Kuhmilch nicht vorhanden sind und die das Baby vor Infektionen schützen“.      

 

Das Stillen ist die natürliche Ernährungsform für gesunde Säuglinge und bietet vielfältige Vorzüge für Mutter und Kind

Die Stiftung Kindergesundheit nennt die wichtigsten:

Die Muttermilch ist leicht verdaulich.

Ihre Abwehrstoffe schützen das Baby vor Ansteckungen aller Art und vor vielen Infektionskrankheiten, wie Durchfall oder Mittelohrentzündungen.

Die Nährstoffgehalte in der Muttermilch decken in idealer Weise den Bedarf des Babys und haben in vielen Fällen eine bessere Bioverfügbarkeit als Säuglingsmilchnahrungen. Der Körper der Mutter bildet für jede Entwicklungsphase des Babys die optimal zusammen gesetzte Milch.

Es entsteht immer so viel Milch, wie gebraucht wird. Auch Zwillinge können satt werden!

Gestillte Kinder sind seltener krank als nicht gestillte Kinder. Sie sind im späteren Leben weniger häufig übergewichtig, haben auch ein geringeres Risiko für Diabetes und für die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn. Wer als Baby gestillt wurde, hat als Erwachsener niedrigere Cholesterinwerte und weniger Gefäßablagerungen.

Muttermilch ist immer verfügbar, hygienisch einwandfrei und richtig temperiert.

Durch das Stillen wird das Risiko des Plötzlichen Kindstods SIDS deutlich gesenkt.

Gestillte Kinder haben später eine höhere kognitive Leistungsfähigkeit.

Stillen bedeutet auch Nahrung für die Seele und setzt in einzigartiger Weise die in der Schwangerschaft begonnene Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind fort: Es fördert die emotionale Bindung und hat so positive Langzeitfolgen für die körperliche, psychische und soziale Entwicklung des Kindes.

 

Auch die Mutter profitiert

Für die Mütter selbst hat das Stillen ebenfalls viele Vorteile:

Es spart Arbeit und Zeit und ist umweltfreundlich.

Stillen macht unabhängig, auch wenn Mutter und Baby unterwegs sind. Die Milch für das Baby ist jederzeit und überall steril und richtig temperiert verfügbar. Und sie kostet nichts!

Die Gebärmutter bildet sich nach der Geburt rascher zurück, der Wochenfluss hört schneller auf. Das während der Schwangerschaft angelagerte Depotfett wird durch die Bildung der Milch schneller abgebaut und der Bauch wird rascher wieder flacher.

Frauen erkranken während der Stillzeit seltener an Infektionen als nicht stillende Mütter.

Das Risiko der Mutter verringert sich, später an Eierstock-, Brustkrebs oder Osteoporose zu erkranken.

 

Werbung verführt zum Fläschchen

Bild: CleanKids
Bild: CleanKids

Geburtshelfer, Hebammen und Säuglingsschwester sollten junge Mütter, die ihr Baby stillen wollen, nach allen Kräften darin unterstützen, fordert die Stiftung Kindergesundheit. Es sollte alles unterlassen werden, was Mütter verunsichert oder vom Stillen abhält.  

Das gilt auch für die Industrie: Vor genau 30 Jahren haben die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Kinderhilfswerk UNICEF gemeinsam einen international gültigen „Kodex für die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten“ verabschiedet. Seine Regeln werden in Deutschland in der Diätverordnung umgesetzt. Sie bestimmt, dass Säuglingsanfangsnahrungen und Folgenahrungen nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn in der Kennzeichnung Angaben enthalten sind, die vom Stillen abhalten, oder wenn Begriffe aufgeführt werden, die die künstliche Nahrung idealisieren (wie z. B. „humanisiert“, „maternisiert“ oder „adaptiert“). Für Anfangsnahrungen ist die Verwendung von Abbildungen von Babys und von Abbildungen, die den Gebrauch des Erzeugnisses idealisieren, untersagt.  

Einige Hersteller versuchen jedoch in letzter Zeit, diese Regeln zu umgehen und den Eindruck zu erwecken, Fläschchennahrung sei von vergleichbarem Wert wie das Stillen. So haben Unternehmen mit der Packungsaufschrift „nach dem Vorbild der Muttermilch“ geworben.   „Durch Anzeigen in Printmedien und Werbespots im Fernsehen werden junge Eltern verunsichert und getäuscht. Zum Beispiel wenn ein führender Hersteller von Säuglingsnahrungen behauptet, man sei mit diesem Produkt ‚dem Wunder der Natur einen Schritt näher gekommen'“, sagt Stiftungsvorstand Professor Dr. Berthold Koletzko, der gleichzeitig Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ist.   In einer gemeinsamen, ungewöhnlich deutlich formulierten Stellungnahme haben sich jetzt Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, des Berufsverbands der Frauenärzte, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, des Deutschen Hebammenverbandes und der Nationale Stillkommission beim Bundesinstitut für Risikobewertung gegen die nicht akzeptable Werbung zur Wehr gesetzt.  

Die unter Federführung von Professor Koletzko entstandene Stellungnahme* stellt unmissverständlich fest: „Dieser Versuch der Industrie, die Stillabsichten von Frauen zu unterminieren und den Verkauf von Säuglingsnahrung zu fördern, ist eine unethische Vermarktungspraxis und verstößt gegen die Grundsätze des WHO-Kodex und des geltenden Rechts“. Es sei höchste Zeit, dass Hersteller und Überwachungsbehörden die für die Kindergesundheit wichtigen Vorgaben konsequent umsetzen.      

 

* Koletzko B, Hartmann W, Albring C, für die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, den Berufsverband der Frauenärzte, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, den Deutschen Hebammenverband und die Nationale Stillkommission. Unakzeptable Werbemaßnahmen für Säuglingsnahrungen. Deutsches Ärzteblatt 2011;108:A2268-9.  

Stiftung Kindergesundheit – www.kindergesundheit.de