Mengenangaben auf Lebensmitteln oft falsch eingeschätzt

Die Situation ist wohl jedem bekannt: Unter Zeitdruck und einer überwältigenden Auswahl an Lebensmitteln im Supermarkt treffen wir auf unterschiedliche Angebote eines oder mehrerer Produkte mit unterschiedlichen Preisen – welches ist nun günstiger? Um schnell eine Entscheidung treffen zu können, verlassen sich viele auf ihr Bauchgefühl. Denn das Überschlagen von Zahlen und Summen erspart Denkarbeit sowie aufwendige Rechnereien. Die Überzeugung, die Mengenangaben schon irgendwie korrekt einschätzen zu können, trügt uns jedoch oft.
 
Forscher der Universitäten Gent und Tilburg nahmen das Zahlengefühl von Käufern unter die Lupe und beobachteten, dass sie oft daneben liegen – egal, ob es sich dabei um Mengenangaben zu Kalorien, Preisrabatte oder Inhaltsvergleiche handelt (1). So nahmen sie den Unterschied zwischen 9 und 9,5 auf einer Skala von 10 auf Anhieb als größer wahr, als den zwischen 90 und 95 auf einer Skala von 100. Die Forscher erklären dies mit der Tatsache, dass wir nur die nackten Zahlen wahrnehmen und dabei die Skalenwerte außer Acht lassen. Unterschiedliche Einheiten werden jedoch oftmals willkürlich gewählt und können so die Wahrnehmung beeinflussen.
 
Doch was heißt das für den Lebensmitteleinkauf? Am Beispiel von Kalorien zeigte sich, dass die Käufer bei Größenunterschieden in der Maßeinheit Kilojoule oftmals eher einer süßen Verführung widerstanden, als beim bloßen Vergleich der niedrigeren Kilokalorienwerte. So schreckt uns die Gegenüberstellung von 1.250 und 1.050 Kilojoule eher von der gehaltvolleren Variante ab, als der Vergleich von 250 und 300 Kilokalorien – obwohl der Unterschied der Gleiche ist. Auch unliebsame Nährstoffe wie Zucker lassen sich durch utopisch kleine Portionsgrößen schönrechnen. Hier nutzt die Lebensmittelindustrie den Umstand, dass kaum ein Käufer abschätzen kann, dass 30 Gramm Cornflakes nur etwa drei Esslöffeln entsprechen – eine wohl eher unbefriedigende Frühstücksportion. Auch Angebote und Rabatte lassen den Verbraucher unbewusst zugreifen. In Erwartung eines Schnäppchens bleibt hier der Produktvergleich vor der Kaufentscheidung häufig jedoch aus. Die Lebensmittelindustrie nutzt die trügerische Wahrnehmung der Käufer folglich, um gezielt ihr Kaufverhalten zu beeinflussen.
 
Was also tun? Den Forschern zufolge ließen sich Konsumenten gezielter zum Kauf energiearmer Produkte animieren, wenn auf den Verpackungen die Energieangaben prominent in Kilojoule ausgegeben sind. Ansonsten hilft für eine bewusste Lebensmittelauswahl nur eins: sich Zeit nehmen beim Einkaufen und die Waren genau unter die Lupe nehmen. Wer Zeit sparen will, kauft vorzugsweise frische Zutaten und erspart sich zumindest den mühseligen Vergleich von Kalorien und langen Zutatenlisten. Denn ob ein Lebensmittel kaufgeeignet ist oder nicht, entscheidet nicht nur der Energiegehalt oder der Preis, sondern auch die Inhaltsstoffe, die Qualität und die Herkunft.
 
Redaktion: Dipl.troph. Irina Baumbach
 
Quelle: Pandelaere M et al.: How to make a 29% increase look bigger: The unit effect in option comparison. Journal of Consumer Research, DOI: 10.1086:659000: 2011

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