Sexueller Missbrauch im Reitsport – „Mit 100 km/h gegen eine Betonwand“

Mehr als 200 000 Mädchen in Deutschland sind in einem Reitverein organisiert. Die Liebe zum Pferd zieht sie magisch an. Der Reitstall – für sie ein wichtiges soziales Umfeld, ihre zweite Heimat.

Das nutzen auch Täter aus: Extra-Reitunterricht, besondere Unternehmungen mit dem Tier oder das Reiten spezieller Pferde sind Vergünstigungen, die die Männer den Mädchen bieten. Manchmal erwarten sie dafür etwas – Körperkontakt bis hin zum Geschlechtsverkehr. Ein Kreislauf der Abhängigkeit beginnt: Sie verpflichten das Mädchen zum Schweigen. Druckmittel: Wenn der Missbrauch ans Licht käme, würde das Kind alles verlieren, Freunde, Pferde und sein zweites zu Hause, den Reitstall.

Sexueller Missbrauch im Reitsport – „Mit 100 km/h gegen eine Betonwand“

So war es auch in dem Fall, den der 20-minütige Film besonders beleuchtet: Im Mai wurde ein Reitlehrer zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt – wegen sexuellen und schweren sexuellen Missbrauchs einer 13-jährigen Reitschülerin. Der Mann war mehr als 30 Jahre älter als das Kind. Er hat die Taten weitgehend gestanden.

„Unser Familienleben hat sich von einem auf den anderen Tag komplett verändert“, schildert die Mutter der Betroffenen. „Das war wie mit 100 km/h gegen eine Betonwand zu fahren“. Die Eltern erstatteten Anzeige, auch um möglichen weiteren Taten vorzubeugen.

Sexueller Missbrauch – im Sport genauso häufig wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft. So ein Ergebnis der Studie „Safe Sport“, die Ende vergangenen Jahres erstmals das Ausmaß sexualisierter Gewalt im Leistungssport greifbar gemacht hat. Demnach haben eine/r von neun Athlet/innen schwere oder auch länger andauernde sexualisierte Gewalt erlebt – bis hin zum Geschlechtsverkehr; Mädchen häufiger als Jungen. Würde man diese Zahl übertragen auf die 200 000 Mädchen, die in Reitvereinen eher Breitensport betreiben, hieße das:10 000 Mädchen in deutschen Reitvereinen könnten sexualisierte Gewalt erfahren haben.

Der Film lässt Betroffene zu Wort kommen und zeigt Strukturen auf, die es Tätern gegebenenfalls leicht machen, mit möglichen Opfern in Kontakt zu kommen. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung, FN, Dachverband des organisierten Reitsports, hat das Problem erkannt und ein umfangreiches Präventionskonzept aufgestellt. Kinderschutz ist Bestandteil der Trainerausbildung und der Satzung. Wer dagegen verstößt, fliegt aus dem Verband. Drei Mitarbeiterinnen kümmern sich innerhalb der Dachorganisation um das Thema, und es gibt eine anonyme Hotline. Aber an der Basis mangelt es noch weitgehend an Problembewusstsein.

Sendetermin:
WDR Fernsehen, Sonntag, 23. Juli 2017, 11.00 – 15.00 Uhr
Sport im Westen live: CHIO Aachen, darin: um ca. 12.50 bis 13.10 Uhr
Sexueller Missbrauch im Reitsport – „Mit 100 km/h gegen eine Betonwand“

 

Quelle: WDR Presse und Information
Internet: www.wdr.de

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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