Gewalt ist an Schulen: Mitgefühl und soziale Kompetenz schützen vor Mobbing

Gewalt ist an Schulen kein seltenes Phänomen, sie zeigt sich bereits in der Grundschule. Die Palette von alltäglichen Gewalttaten ist lang und begrenzt sich nicht nur auf augenscheinliche körperliche Gewalt. Viele Formen geschehen verdeckt, per Handy – beispielsweise in einer «WhatsApp-Gruppe» – oder auch in Internetforen.

mobbing

„Konflikte zwischen Kindern müssen zunächst als normal betrachtet werden und sie können durchaus konstruktiv und anregend sein. Kleinere Kinder erkennen oft nicht die Schwelle, wo spielerisches Verhalten in gewalttägiges Verhalten umschlägt, anderen Schmerzen zufügt oder sie diskriminiert und gekränkt werden. Für Kinder stellt es einen wichtigen Lernbereich dar, diese Schwelle bei sich selbst zu kennen und bei anderen zu erkennen“, meint Dr. Ingo Spitczok von Brisinski vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP) mit Sitz in Mainz. „Kindern, die zu gewalttätigem Verhalten und auch verbaler Gewalt neigen, sollte man anschaulich erklären, warum Gewalt problematisch ist. Etwa, dass sie das Zusammenleben erschwert oder gar zerstört, Probleme nicht geklärt und gelöst werden und die Rechte anderer missachtet werden. Wichtig ist es zudem, den Kindern darzulegen, wie sich die Opferrolle anfühlt, denn vielen Tätern ist gar nicht bewusst, wie sehr sie ihre Opfer in Bedrängnis bringen.“ Problematisch wird es, wenn Konflikte nicht angemessen gelöst werden und sich zu Gewalt aufschaukeln oder Gewalt eingesetzt wird, um bestimmte Ziele zu erreichen. Dann sollte diese Gewalt nicht geduldet werden. Beim Mobbing kommt es über längere Zeit zu offener oder subtiler Gewalt gegen Personen mit dem Ziel sozialer Ausgrenzung.

Empathie, Hilfsbereitschaft und Selbstbewusstsein wichtig

Gewalt bei Kindern kann ganz unterschiedlich motiviert sein. So kann sie als Mittel gegen Langeweile in einer als erlebnisarm empfundener Umwelt eingesetzt werden, als Methode zum Dominanz- und Statuserwerb in Gruppen, als Ausdrucksform, um auf persönliche Problemlagen aufmerksam zu machen oder auch als Gegengewalt, die gegen eine als gewaltsam empfundene Umwelt eingesetzt wird. Gewalttätigkeit kann auch als Ventil dienen, um Spannung und Frustration abzubauen. Mitschüler, die Zeugen von gewalttätigem Verhalten werden, haben mitunter Angst, selbst Opfer zu werden oder finden das Geschehen interessant bis unterhaltsam und ergreifen deshalb keine Initiative, dem Opfer zu helfen. Manche lassen sich gar vom Täter instrumentalisieren und werden zu dessen Verstärkern oder Assistenten. Mobbing ist ein Gruppenphänomen, das sich aufschaukeln und eskalieren kann, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird. „Verursacher von Gewalt dürfen nicht die Erfahrung machen, dass keine Sanktionen auf ihr Verhalten erfolgen oder, dass sie mit ihrem Verhalten ihre Ziele erreichen. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten verstehen, was richtig und was falsch ist und wo Grenzen überschritten werden“, betont der Kinder- und Jugendpsychiater. „Unbeteiligte oder Mittäter sollte man dazu ermutigen, dass sie hinsehen, mitfühlen, handeln und wenn nötig Hilfe holen. Bei vielen Kindern und Jugendlichen müssen Mitgefühl und soziale Stärken manchmal einfach aktiviert und dauerhaft gestärkt werden.“ Insbesondere in der Familie sollten junge Menschen lernen, wie Aggressionen und Konflikte gewaltfrei bewältigt werden können. Auch bei Auseinandersetzungen und Streit ist ein fairer und respektvoller Umgang miteinander notwendig. Darüber hinaus müssen Kinder, die sich selbst akzeptieren, sich nicht mit Gewalt beweisen oder durchsetzen. Hierfür ist ein stabiles Selbstwertgefühl eine Voraussetzung.

Scham und Angst bedrücken Mobbing-Opfer

Knapp die Hälfte der Kinder, die von Mobbing betroffen sind, spricht über das Erlebte nicht und schämt sich für das empfunden «eigene Versagen». Mobbing bleibt daher oft lange Zeit im Verborgenen. „Kinder, die Opfer von Übergriffen durch Mitschüler werden, reagieren zumeist ängstlich und verunsichert. Aus Gründen wie Angst und Beschämtheit erzählen die Opfer nichts von den Vorfällen, sondern reagieren mit Passivität oder Rückzug – auch um nicht mit Schwächen belegt zu werden und, um weitere Mobbing-Erlebnisse zu vermeiden“, meint Dr. Spitczok von Brisinski. „Stehen Kinder wiederholt Ausgrenzung, Beleidigung und Abwertung ohnmächtig gegenüber, kann dies zu einer erheblichen Stressbelastung und einer Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls führen. Leistungsrückgang und auch psychosomatische Erkrankungen, wie Bauch- und Kopfschmerzen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörung, bis hin zu Suizidgedanken und Suizidversuchen können in der Folge auftreten.“ Viele von Mobbing betroffene Kinder entwickeln eine Schulphobie, so dass sie mit allen Mitteln von der Schule fernbleiben wollen.

Die Gefahr, dass Kinder besonders aggressiv oder auch gewalttätig werden, besteht vor allem dann, wenn verschiedene problematische Einflüsse zusammentreffen und über einen längeren Zeitraum andauern. Als Faktoren, die Gewalt bei Kindern begünstigen, gelten unter anderem eine mangelnde emotionale Zuwendung der Eltern, eine ungenügende Grenzsetzung durch Bezugspersonen bei aggressivem Verhalten, körperliche und andere „machtbetonte“ Erziehungsmittel sowie auch ein hitzköpfiges Temperament des Kindes. Wenn Eltern den Verdacht oder die Gewissheit haben, dass ihr Kind von anderen gemobbt wird, sollten sie über diese Einschätzung und ein mögliches Vorgehen mit den Lehrern sprechen. Lösungen sollten gemeinsam mit dem Kind gesucht werden, denn es ist sehr wichtig, das Kind mit einzubeziehen, damit es sich aktiv und nicht hilflos fühlt.

Hilfe und Informationen für Betroffene

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Nummer gegen Kummer e.V. (NgK) ist der Dachverband des größten kostenfreien, telefonischen Beratungsangebotes für Kinder, Jugendliche und Eltern: https://www.nummergegenkummer.de/

Präventionsprogramm gegen Gewalt an Schulen und für soziale Kompetenz: http://www.fairplayer.de/

Die bundesweite Initiative “Trau dich!” beruht auf Erkenntnissen des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch. Aktuelle Zahlen bestätigen den Bedarf an Aufklärung und Prävention.

Weitere Informationen finden Sie auf der Seite für Kinder http://www.trau-dich.de

 

Quelle: Neurologen und Psychiater im Netz
Internet: www.kinderpsychiater-im-netz.org

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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