Starker Blutverlust und Blutarmut gehören zu den häufigsten Risiken rund um die Geburt. Sie betreffen aber viele schwangere Personen oft, ohne dass sie es wissen. Das Konzept des Patient Blood Managements (PBM) hilft, diese Risiken zu senken: durch frühe Diagnose von Eisenmangel, gute Vorbereitung vor der Geburt und einen verantwortungsvollen Umgang mit Bluttransfusionen. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e. V. (DGTI) erklärt, worauf Schwangere achten sollten und welche Fragen sie in der Praxis oder Klinik stellen können.
Viele Frauen haben einen bestehenden Eisenmangel – Bild von Cindy Parks auf Pixabay
Mehr Sicherheit für Mutter und Kind
Viele Frauen haben einen bestehenden Eisenmangel oder sehr reduzierte Eisenspeicher aufgrund des monatlichen Blutverlustes und ihrer Ernährungsgewohnheiten. Dieser Mangel an Eisen führt zur reduzierten Bildung roter Blutkörperchen, einer sogenannten Anämie. Werden sie schwanger, verstärkt sich dieses Problem. Auch starke Blutungen direkt nach der Geburt treten häufiger auf als erwartet: Etwa jede 4. Frau in Europa erlebt eine Anämie, viele ohne eindeutige Beschwerden.
„Ein Patient Blood Management in der Schwangerschaft kann helfen, Komplikationen zu vermeiden“, sagt Professorin Dr. Antonia Müller, Leiterin der Universitätsklinik für Transfusionsmedizin und Zelltherapie an der Medizinischen Universität Wien und Expertin der DGTI. Der Behandlungsansatz soll Menschen dabei helfen, ihre eigene Blutbildung bestmöglich aufrecht zu erhalten. Es geht darum, den reduzierten Eisenspeicher zu erkennen, bevor es zu einer Blutarmut kommt, Blutverlust zu vermeiden und Bluttransfusionen nur im Notfall einzusetzen. „PBM hilft, Risiken für Mutter und Kind zu senken und den Einsatz von Fremdblut auf Situationen zu beschränken, in denen er wirklich notwendig ist.“
PBM vor, während und nach der Geburt
Bei Frauen mit Kinderwunsch sollte der Hämoglobinwert und das Speichereisen bereits vor einer Schwangerschaft kontrolliert werden. Wird ein Eisenmangel festgestellt, kann er frühzeitig mit Tabletten oder bei Bedarf mit Infusionen behandelt werden. „Im ersten Trimester einen Eisenmangel zu erkennen ist schon fast zu spät: Dann sollten keine Eiseninfusionen mehr gemacht werden, es bleiben nur die Eisentabletten, die häufig schlecht vertragen werden“, erklärt Müller. Ebenso wichtig ist die Untersuchung auf Blutgruppen und Antikörper. „Manche Antikörper können die roten Blutkörperchen des Kindes angreifen und zu einer Blutarmut beim ungeborenen Baby führen“, so Müller weiter. Ein früh erkannter Antikörper erlaubt eine engmaschige Überwachung und schützt das Kind vor vermeidbaren Komplikationen.
Während der Geburt in der Klinik selbst geht es darum, Blutverlust möglichst gering zu halten. Dazu gehören Medikamente, durch die sich die Gebärmutter nach der Geburt besser zusammenziehen kann, sowie Verfahren, die Gerinnung und Blutung eng überwachen. Ziel des PBM ist es hier, Blutungskomplikationen früh zu erkennen, zu vermeiden und rasch zu beheben.
Auch im Wochenbett bleibt die Blutgesundheit wichtig. Der Körper braucht Zeit, um den Blutverlust auszugleichen und neues Blut nachzubilden – dies ist einfacher, wenn die Eisenspeicher nicht leer sind. Infektionen, anhaltender Blutverlust oder ausgeprägte Müdigkeit können Hinweise auf eine Anämie sein. Eine erneute Kontrolle der Werte und eine gezielte Eisenbehandlung unterstützen die Erholung und vermindern das Risiko späterer Beschwerden. „Viele Frauen denken nach der Geburt zuerst an das Baby und vergessen sich selbst. Eine unbehandelte Anämie kann die Genesung aber erheblich verzögern“, so die DGTI-Expertin.
Handlungsempfehlungen für den Alltag der Schwangeren
Für werdende Mütter bedeutet PBM vor allem, die eigene Blutgesundheit im Blick zu behalten. „Viele Frauen unterschätzen, wie oft ein Eisenmangel unentdeckt bleibt“, sagt Müller. Ein regelmäßiger Check von Hämoglobin und Speichereisen schafft Sicherheit – und sollte bei Kinderwunsch bereits vor einer Schwangerschaft erfolgen. Beschwerden wie Müdigkeit, Kurzatmigkeit oder Schwindel, aber auch spröde Haut vor allem der Lippen und Mundwinkel sollten ernst genommen werden, da sie auf einen Mangel hinweisen können. Vor dem Klinikaufenthalt lohnt es sich, nachzufragen, wie vor Ort mit Blutverlust umgegangen wird und ob ein strukturiertes Vorgehen vorgesehen ist. Auch das Wissen über die eigene Blutgruppe und das Vorhandensein von Antikörpern kann im Notfall entscheidend sein.
Müller betont: „Informierte Schwangere können aktiv zur eigenen Sicherheit beitragen. Ein durchdachtes Blutmanagement ist entscheidend dafür, dass sie die Zeit rund um die Geburt gut bewältigen.“
Was sollten schwangere Personen beachten?
Vor der Geburt
- Eisen-, Hämoglobin- und Ferritinwerte frühzeitig prüfen lassen
- bei Müdigkeit, Blässe oder Schwindel ärztlichen Rat einholen
- eigenen Blutgruppenpass zur Vorsorgeuntersuchung mitnehmen
- nachfragen, ob Antikörpertests durchgeführt wurden
- Klinikabläufe zu Blutverlust und Notfallmaßnahmen erfragen
Nach der Geburt
- Werte erneut kontrollieren lassen
- möglichen Eisenmangel konsequent behandeln
Literatur:
- Kaserer, A. et al. (2023) Patient Blood Management in Pregnancy. Transfus Med Hemother 2023;50:245–255. DOI: 10.1159/000528390
- Regan, F. et al. (2025) Guideline for the investigation and management of red cell antibodies in pregnancy: A British Society for Haematology guideline. Transfusion Medicine. 2025;35:3–23.
- WHO (2024) Guidance on implementing patient blood management to improve global blood health status. URL: https://www.who.int/publications/i/item/9789240104662
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e. V. (DGTI)