foodwatch kritisiert: Industrie rechnet Nährwerte durch unrealistische Portionsangaben schön

Am 13.12. wird der letzte Teil der Lebensmittelinformationsverordnung verbindlich – keine klaren Angaben zu Nährwerten, Herkunft der Zutaten und Gentechnik – Verbrauchertäuschung wird weiterhin Tür und Tor geöffnet

Produktfotografie Berlin

Wer kennt das nicht: Ein gemütlicher Filmabend zu zweit auf der Couch – und zack, ist die 175g-Chipstüte leer. Dabei enthält eine Packung „Chipsfrisch ungarisch“ laut Angaben von funny frisch (Intersnack) mehr als fünf Portionen à 30g. Die unrealistisch kleine Portionsangabe macht es zwar möglich, den salzigen Snack gesünder darzustellen als er ist – mit realistischer Verbraucherinformation hat das aber genauso wenig zu tun wie fettige Chips mit „Frische“.


Die Lebensmittelindustrie rechnet den Gehalt von Salz, Zucker und Fett mit unrealistischen Portionsgrößen schön. Das kritisierte die Verbraucherorganisation foodwatch anlässlich der vollständigen Anwendung der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Am Dienstag (13.12.) endet die letzte Übergangsfrist für die EU-weite Regelung zur Kennzeichnung von Lebensmitteln.

„Für die 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU ist das keine gute Nachricht“, kritisierte Sophie Unger von foodwatch. „Kennzeichnungslücken werden gesetzlich festgeschrieben, Irreführung und Täuschung weiterhin erlaubt und informierte Kaufentscheidungen verhindert!“

Zwar müssen künftig die sieben wichtigsten Nährwerte (Brennwert, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz) einheitlich pro 100 Gramm beziehungsweise Milliliter angegeben werden. Doch die Industrie darf die Angaben auf der Rückseite der Packung im Kleingedruckten verstecken – und auf der Packungsvorderseite die Zucker-, Fett- oder Salzwerte mit Mini-Portionsgrößen und irreführenden Prozentwerten kleinrechnen. „Die Portionsangaben der Industrie sind vollkommen unrealistisch“, sagte Sophie Unger. „Wer isst denn aus einer großen 175 Gramm-Tüte nur eine Hand voll Chips? Wer trinkt aus einer 500 Milliliter-Flasche für unterwegs nur die Hälfte? Und wer wird von nur einer Frühlingsrolle aus einer Viererpackung satt?“


Produktfotografie Berlin

Dass zuckrige Frühstücksflocken wie die Cookie Crisp „Chokella Toasts“ von Nestlé kein ausgewogener Start in den Tag sind, dürfte klar sein. Doch die Kennzeichnung verspricht: Eine Portion enthalte nur 10 Prozent des täglichen Zucker“-bedarfs“. Es grüßt der Zuckerwolf im Schafspelz: Die Rechnung für das an Kinder gerichtete Produkt beruht auf einer 30g-Portion – ohne Zugabe von Milch! Der Referenzwert bezieht sich übrigens auf eine erwachsene Frau…


Weitere Kritikpunkte an der Lebensmittelinformationsverordnung:

Gentechnik:
Der Großteil der Menschen in Europa lehnt den Einsatz von Agrar-Gentechnik in der Landwirtschaft ab. Trotzdem erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf weiterhin nicht, ob Tierprodukte wie Fleisch, Milch oder Eier von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futterpflanzen gefüttert wurden.

Herkunft:
Hersteller dürfen Informationen über die Herkunft der verwendeten Zutaten bei den meisten Produkten verschweigen. Bei verarbeiteten Lebensmitteln fehlen verpflichtende Herkunftsangaben gänzlich. Und auch Begriffe wie „aus der Region“ oder „aus der Heimat“ sind nicht gesetzlich definiert bzw. geschützt.

foodwatch fordert die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien dazu auf, das Thema erneut auf die politische Agenda zu heben. „Die Lebensmittelinformationsverordnung ist eine Irreführungsverordnung, denn sie hält das Versprechen nicht, das den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern gegeben wurde. Mannigfaltiger Täuschung und Irreführung durch die Hersteller wird damit kein Riegel vorgeschoben. Das absurde Industrie-Modell mit Mini-Portiönchen illustriert dies nur zu gut. Viel verständlicher wäre für Verbraucherinnen und Verbraucher erwiesenermaßen die Lebensmittelampel auf der Schauseite der Produkte“, sagte foodwatch-Campaignerin Unger. „Wir rufen die Politik deshalb dazu auf, die Einführung der Nährwertampel in ihre Programme zur Bundestagswahl 2017 aufzunehmen.“

Die Ampelkennzeichnung, durch die der Gehalt an Fett, Zucker und Salz auf einen Blick zu erkennen wäre, hatte 2010 im EU-Parlament keine Mehrheit gefunden.

E-Mail-Aktion zur Ampelkennzeichnung: www.ampel-aktion.foodwatch.de

Quelle: foodwatch
Internet: www.foodwatch.de

Bilder: foodwatch e.V.

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