Wochenbettdepression kann grundsätzlich jede treffen

In manchen Fällen löst die Geburt eines Kindes bei Müttern keine Glücksgefühle aus, sondern kann den Beginn von psychischen Problemen einleiten. Bei etwa 10 bis 15 Prozent aller Mütter kommt es nach der Entbindung zu einer so genannten Wochenbettdepression bzw. postnatalen Depression. Sie entwickelt sich meist sechs bis 12 Wochen nach der Geburt, kann mehrere Monate anhalten und im Einzelfall auch schwer ausgeprägt sein. Ein großer Teil der betroffenen Mütter zeigt schon während der Schwangerschaft Frühsymptome einer Depression.

Depression kann grundsätzlich jeden treffen

Scham- und Schuldgefühle begleiten oft die Wochenbettdepression

„Eine Wochenbettdepression kann akut oder schleichend auftreten. Charakteristische Symptome sind unter anderem ein anhaltender Erschöpfungszustand, Appetitminderung, Niedergeschlagenheit sowie Antriebsmangel und Freudlosigkeit. Es können auch Angstzustände vorkommen. Oft werden solche Beschwerden von den Müttern sowie von den Angehörigen lediglich als eine Begleiterscheinung infolge der Belastung durch die neue Lebenssituation angesehen, aber nicht als Erkrankung wahrgenommen“, berichtet Prof. Dr. med. Sabine C. Herpertz von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Bei vielen betroffenen Frauen kommt es zu Grübelgedanken, zu Versagens- und Schuldgedanken, die sich meist auf das Kind und die Mutterschaft beziehen. Einschießende Gedanken, sich oder dem Kind etwas anzutun, weil man nicht mehr weiter weiß, finden sich zuweilen auf dem Höhepunkt der Erkrankung und sind besonders quälend.“

Problematisch ist dabei, dass sich die Mütter oft schämen, über ihre Ängste und Beschwerden zu sprechen. Daher sollten der Partner oder andere nahe stehenden Menschen auf die Betroffene zugehen, Gespräche anbieten und sie dazu ermutigen und unterstützen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Kontakt mit einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sollte unbedingt aufgenommen werden, wenn die Mutter länger als zwei Wochen unter den Symptomen leidet oder auch, wenn die Beziehung zum Kind gestört ist.

Gefahr einer Störung der Mutter-Kind-Beziehung

Unterschieden werden muss die postnatale Depression von den so genannten Heultagen beziehungsweise dem „Baby Blues“, der meist kurz nach der Entbindung in den ersten 3 bis 5 Tagen auftritt. „Heultage kennzeichnen sich durch rasche Stimmungswechsel, eine hohe emotionale Empfindlichkeit und die Neigung zum Weinen. Der entscheidende Unterschied zu einer Depression ist, dass die Beschwerden nach wenigen Tagen vorübergehen und insofern die Beziehung von Mutter und Kind nicht gefährden“, erklärt Prof. Herpertz, Ärztliche Direktorin der Klinik für Allgemeine Psychiatrie des Universitätsklinikums Heidelberg. Postnatale Depressionen bergen hingegen die Gefahr einer Bindungsstörung und gehen mit dem Risiko von langfristigen Entwicklungsstörungen beim Kind einher. Im Rahmen einer Therapie muss daher nicht nur die Mutter, sondern auch die gestörte Beziehung zum Kind behandelt werden. „Eine sofortige Psychotherapie mit Bindungsarbeit sowie die Aufklärung der Mutter über Scham- und Schuldgefühle, die als typische Begleiterscheinungen der depressiven Erkrankung aufzufassen sind, sind die ersten Maßnahmen der Behandlung. Eine Therapie kann meist ambulant erfolgen, in schweren Fällen allerdings sind stationäre Aufenthalte notwendig. Neben psychotherapeutischen und gegebenenfalls medikamentösen Maßnahmen werden die Bedürfnisse der Mütter abgeklärt, um individuelle Hilfsmaßnahmen wie beispielsweise eine Entlastung im Haushalt oder Hebammenhilfe anpassen zu können“, ergänzt die Expertin. Zudem ist der Einbezug des Partners und Angehöriger wichtig, um ggfs. bestehende familiäre und partnerschaftliche Konflikte zu bearbeiten und Chancen der Entlastung zu besprechen. Die postpartale Depression ist gut behandelbar – insbesondere, wenn frühzeitig professionelle Hilfe erfolgt.

Depression kann grundsätzlich jeden treffen

Entscheidend veränderte Lebenssituationen können unter anderem dazu beitragen, dass sich eine psychische Erkrankung entwickelt, selbst wenn sie grundsätzlich ein positives Ereignis darstellen. „Mit der Geburt eines Kindes gehen Veränderungen einher, die eine Neudefinition in verschiedenen Lebensbereichen notwendig machen. Neben körperlichen, beruflichen und sozialen Veränderungen sieht sich eine Mutter nach der Geburt damit konfrontiert, dass ihr zuvor selbstbestimmtes Leben, indem sie letztlich nur für sich selbst verantwortlich war, sich in Pflichtgebundenheit gewandelt hat. In Verbindung mit den üblichen Symptomen einer Depression kann es dann vorkommen, dass das erwartete Lebensglück von dem Gefühl mangelnder Selbstwirksamkeit unterwandert wird, weil sich Gefühle von Überforderung, Hilflosigkeit und der Abhängigkeit des Säuglings von der Mutter einstellen“, schildert Prof. Herpertz. „Grundsätzlich wirken jedoch zahlreiche körperliche, psychische, soziale und gesellschaftliche Faktoren bei der Entstehung einer postpartalen Depression zusammen.“

Nach einer Entbindung können verschiedene psychischen Störungen auftreten. Neben den Heultagen und der postpartalen Depression kann sich eine Wochenbettpsychose entwickeln. Daneben treten auch Angst- und Zwangsstörungen auf.

Quelle: Neurologen und Psychiater im Netz
Internet: www.psychiater-im-netz.org

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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