Antibiotika-Rezepte: Verschreibungswut – Nachmittags wird mehr verschrieben

Ärzte halten dem Anspruchsdruck der Patienten oft nicht stand – und verschreiben mehr Antibiotika, als sie eigentlich wollen. Patienten müssen besser aufgeklärt werden und sollten mehr Verantwortung übernehmen um Resistenzen vorzubeugen.

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(dgk) Jetzt haben sie wieder Hochsaison – Halsweh, Husten und Heiserkeit. Da diese Symptome zumeist viral bedingt sind, ist eine sofortige Behandlung mit Antibiotika weder nötig noch hilfreich.

Denn Antibiotika wirken nur gegen Bakterien. Dennoch wird diese Substanzklasse oft bei Infekten der oberen Luftwege verschrieben. Das hat Nebenwirkungen: Experten zufolge fördert der häufige Einsatz die Resistenzbildung bei gefährlichen Bakterien, die dadurch immer schlechter behandelt werden können.

Beispiel Bronchitis: Sowohl die Erfahrung in der Praxis als auch Studien zeigen, dass sich eine Antibiotika-Therapie bei akuter Bronchitis weder auf die Heilungszeit noch auf die Dauer der Arbeitsunfähigkeit auswirkt. Kein Wunder: Nur bei weniger als 10 Prozent der Patienten können Bakterien als Verursacher überhaupt nachgewiesen werden. Dennoch erhalten hierzulande zwei von drei Patienten mit akuter Bronchitis von Anfang an ein Antibiotikum. Ähnlich verhält es sich z. B. bei Nebenhöhlen- oder Mittelohrentzündungen.

Doch was sind die Gründe für die sinnlose Verschreibungswut? Die Hintergründe sind sicherlich vielschichtig. Doch zwei neuere Studien belegen, dass den Patienten dabei eine maßgebliche Rolle zufällt.

Wegen des Krankheitsgefühls bei akutem Husten wünschen viele Patienten ein Antibiotikum. Sie glauben fälschlicherweise, dieses müsse besonders gut und schnell helfen. Und nicht nur das: Viele Patienten haben auch das Gefühl, sie hätten ein Recht auf die Behandlung mit diesen Medikamenten. Das setzt Ärzte unter Zugzwang. In einer britischen Studie gab jeder zweite Hausarzt an, sich von seinen Patienten bei dieser Frage unter Druck gesetzt zu fühlen. Dementsprechend verordnete auch fast jeder zweite ein Antibiotikum, oft gegen besseres Wissen, um den fordernden Patienten loszuwerden. Auch die Angst, mögliche Komplikationen zu übersehen, mag dabei eine Rolle spielen.

Interessanterweise stellen Hausärzte gegen Nachmittag gehäuft unnötige Antibiotika-Rezepte aus, wie Forscher in einer weiteren Studie herausfanden. Auch in dieser Untersuchung zeigte sich, dass die Patienten eine maßgebliche Rolle dabei spielen. Der dauernde Erwartungsdruck der Patienten führt im Laufe des Tages zu einer „Entscheidungsmüdigkeit“, in deren Folge die Mediziner im Lauf des Tages zunehmend „einknicken“ und Antibiotika verschreiben, auch wenn sie gar nichts nützen.

Die Autoren der Studie geben Tipps, wie Ärzte ihre erlahmende Widerstandskraft erhöhen können. Doch auch die Patienten sind hier gefragt: Sie sollten sich kritisch mit dem Konsum von Antibiotika auseinandersetzen und ihre Anspruchshaltung überprüfen.

Resistenzen stoppen durch Verhalten an der Fleischtheke

Dass nicht nur Patienten, sondern auch Verbraucher einen maßgeblichen Einfluss auf die gefährliche Resistenzbildung haben können, wird durch den jüngst vom BUND aufgedeckten Skandal deutlich: Auf 88 Prozent der bei Discountern gekauften Putenfleisch-Proben hat der BUND antibiotikaresistente Keime gefunden.

Laboruntersuchungen der Fleisch-Stichproben von Aldi, Lidl, Netto, Penny und Real wiesen u. a. die gefürchteten MRSA-Keime nach. Der Grund für die hohe Durchseuchung des Fleisches ist das Verlangen nach Billigfleisch, das zu einer industrielle Tierhaltung führt. Denn die Produktion von Billigfleisch bedeutet immer, dass eine zu hohe Zahl von Nutztieren auf zu wenig Raum gehalten wird – und dies ist nur unter Einsatz großer Mengen von Antibiotika möglich.

Hier kann jeder Einfluss nehmen, der gern Fleisch essen möchte – und zu solchem Fleisch greifen, das vielleicht teurer ist, aber eine artgerechte Haltung der Tiere möglich macht.

Quellen:
(1) Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Arzneiverordnung in der Praxis 2007; 34: 99-100
(2) Cole, A.: GPs feel pressurised to prescribe unnecessary antibiotics, survey finds. BMJ.
2014 19. August; 349: g5238. doi: 10.1136/bmj.g5238.
(3) Husten: Phytotherapie richtig kommunizieren; Ärzte Zeitung, 04.12.2014
(4) Jeffrey A. Linder et al.: Time of Day and the Decision to Prescribe Antibiotics; JAMA Intern Med. 2014;174(12):2029-2031. doi:10.1001/jamainternmed.2014.5225.

Quelle: Deutsches Grünes Kreuz e. V.
Internet: www.dgk.de

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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