Angeborene Fehlbildungen: Feindiagnostik-Ultraschall erkennt Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten vor der Geburt

Nur etwa die Hälfte davon wird vor der Geburt entdeckt, unter anderem weil die Betrachtung des Gesichtes beim Vorsorgeultraschall durch den Frauenarzt im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien derzeit nicht gefordert wird. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) rät Eltern, die eine Fehlbildung befürchten, zur „feindiagnostischen“ Untersuchung durch einen qualifizierten Pränatalmediziner.

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„Wird eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vor der Geburt erkannt, haben die Eltern Gelegenheit, sich über das Krankheitsbild zu informieren und sich auf die Zeit nach der Geburt vorzubereiten“, sagt DEGUM-Sprecherin Professor Dr. Annegret Geipel, Leitung Pränatale Medizin, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin am Universitätsklinikum Bonn. Häufig müssten Kinder direkt nach der Geburt behandelt und später operiert werden.

Doch in Deutschland sehen die Mutterschaftsrichtlinien bislang keine gezielte Untersuchung des kindlichen Gesichts vor und so entdecken Ärzte bis heute nur etwa jede zweite Auffälligkeit an Lippe, Kiefer oder Gaumen. Das zeigen die Daten des EUROCAT Netzwerkes, das kontinuierlich die Zahl angeborener Fehlbildungen und ihrer Entdeckungsraten in 26 teilnehmenden Regionen erfasst. „Das Bundesland Sachsen-Anhalt, das für Deutschland an dem Projekt teilnimmt, lag im Erfassungszeitraum 2008 bis 2012 mit einer Entdeckungsrate von 50 Prozent bei den Lippen-Kiefer-Gaumenspalten an 17ter Stelle“, berichtet Geipel. „Demgegenüber werden in Frankreich oder England zwischen 70 und 90 Prozent der Fälle entdeckt.“

Anders als in Deutschland gehört die Untersuchung der Mund- und Lippenregion in anderen europäischen Ländern, etwa den Niederlanden, heute zum Pflichtprogramm der normalen Schwangerschaftsvorsorge. Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern aus Amsterdam und Groningen, unlängst als Online-Vorabpublikation des Fachmagazins „Ultrasound in Obstetrics & Gynecology“ erschienen, belegt zudem, dass die Einführung eines systematischen Routineultraschalls mit der – zunächst freiwilligen – Option, gezielt nach Auffälligkeiten im Mundbereich zu suchen, die Entdeckungsrate von 43 Prozent auf 86 Prozent verdoppelte. „Die Untersuchung zeigt, dass eine systematische Untersuchung unter Einbeziehung aller Organsysteme, auch im Rahmen eines Screenings die Entdeckungsraten steigern kann“, erläutert Geipel. 

Müttern und Vätern, die hierzulande wissen möchten, ob ihr Kind betroffen ist, rät die Expertin zu einer feindiagnostischen Untersuchung in einer Spezialeinrichtung für Pränatalmedizin. Erfolgt die Untersuchung auf eigenen Wunsch, kostet sie zwischen 200 und 400 Euro. Bei einem konkreten Verdacht oder Risiko, wie etwa bereits aufgetretenen Fällen in der Familie, kann der Frauenarzt auch eine Überweisung ausstellen, dann bezahlt die Krankenkasse die Untersuchung.

Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten bilden sich bereits zu Beginn der Schwangerschaft. „Bereits ab der 14ten Schwangerschaftswoche kann ein erfahrener Untersucher im Ultraschall erkennen, ob eine entsprechende Fehlbildung vorliegt“, erklärt Geipel.

Stellt der Untersucher eine Gesichtsfehlbildung fest, sei dies immer auch ein Grund, sich auch die anderen kindlichen Organe, etwa das Herz, sehr genau anzuschauen, so die DEGUM-Expertin. Denn Lippen-Kiefer-Gaumenspalten treten in rund 30 Prozent der Fälle gemeinsam mit anderen Anomalien, etwa in Folge von genetischen Syndromen, auf. „Ein Grund mehr, hierauf verstärkt zu achten“, meint Geipel.

Quellen: 
Influences of the introduction of the 20 weeks fetal anomaly scan on prenatal diagnosis and management of fetal facial clefts.
Ensing S, Kleinrouweler CE, Maas SM, Bilardo CM, van der Horst CM, Pajkrt E
Ultrasound in Obstetrics & Gynecology, Online-Vorabpublikation 

www.eurocat-network.eu

Quelle: DEGUM – Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin
Internet: www.degum.de


Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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