KOLUMNE: Sophie, Sophie…

Für die Einen Kult, für die Anderen Kitsch. Die Gemüter sind gespalten, wenn es um Sophie la Girafe geht. Nun aber erst recht, nachdem also doch ein Rückruf von Sophie und ihren Freunden in Deutschland läuft. Nur in Deutschland??

Auslöser sind Grenzwertüberschreitungen in Deutschland an Nitrosierbaren Stoffen. Von den ganz eingefleischten Fans der ach so lieblich dreinblickenden Quietschegiraffe wird inzwischen gar die Sinnhaftigkeit solcher Grenzwerte angezweifelt. Erinnert mich irgendwie an fanatische Fans des beliebten Ballsports mit 22 Spielern.

Was werden wohl die Eltern denken, die in Frankreich oder anderen Teilen der Welt von Sophie und ihren Freunden  heimgesucht wurden? Sind deutsche Kinder etwa schutzbedürftiger als Kinder in anderen Ländern? Gelten für manche Kinder andere Maßstäbe? Das stimmt mich nachdenklich…

Ich stelle mir also vor, ich wohne im Grenzgebiet zu Frankreich, und erhalte die Nachricht, daß ich meine Sophie zurückgeben bzw. umtauschen kann, weil das Tierchen die Gesundheit meines Kindes nicht gewährleistet. Meine Freundin, die aber im Elsaß lebt und davon erfährt, muss die Ihre behalten und kommt ins Grübeln – zurecht finde ich

Spannend und interessant wird die Frage werden, wie reagiert Vulli auf Anfragen besorgter Eltern außerhalb Deutschlands?

Warum der Rückruf?

Nun, genau aus dem Grund, aus welchem schon Ökotest in der Novemberausgabe der Zeitschrift Ökotest dem Tierchen ein „ungenügend“ verpasste. Nitrosierbare Stoffe die sich im Körper zu krebserzeugenden Nitrosaminen wandeln können waren damals und sind heute der Auslöser heftigster Debatten – vor allem enttäuschter Eltern. Zumindest eine Charge der ach so knuddeligen und beliebten Giraffe Sophie wurde auch vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) mit einem Verkehrsverbot belegt – Behördlich wohlgemerkt.

Schon zu Beginn der leidigen Auseinandersetzung hätte jedem, der die deutschen Grenzwerte mit den Untersuchungsergebnissen verglichen hätte die logische Konsequenz die nun folgte eigentlich klar sein müssen.

Selbst die per Pressemitteilung in Onlineshops, Foren und Blogs verbreiteten Messwerte des Herstellers lagen im Übrigen über den Werten, die in Deutschland zulässig sind.

Das bedeutet, Sophie hätte aufgrund dieser Werte schon damals nicht in Deutschland verkauft werden dürfen, weil das Tierchen den Gesundheitschutz von Kindern (in Deutschland) nicht gewährleistete. Auch war Sophie nicht das einzige Produkt aus dem Hause Vulli, welches derart belastet war.

Aufgrund der dann aber folgenden Ereignisse stellt sich die Frage, wie wichtig dem Unternehmen Kinder wirklich sind?

Zitat EU-Amtsblatt: „….Nach Kenntnis der Kommission haben die Hersteller nicht zwei verschiedene Sorten von Spielzeugen entwickelt, sondern sich an die deutschen Bestimmungen gehalten, um über Spielzeuge zu verfügen, die in allen Mitgliedstaaten vertrieben werden können…,  Zitat Ende – warum Vulli nicht?

Der Eindruck, die wirtschaftlichen Aspekte wurden weit höher angesetzt als die gesundheitlichen bleibt an Vulli, dem deutschen Vertrieb und all jenen Shops haften, die sich nicht dazu entschieden hatten, vorbeugend im Sinne von Babys und Kleinkindern ersteinmal auf den weiteren Verkauf zu verzichten.

Anstatt im Sinne aller Eltern zu reagieren, die Sophie für ihre Kleinsten gekauft hatten und dafür Sorge zu tragen, daß keinerlei auch noch so kleine Gefahr für Kinder von Sophie ausgeht, wurden Anwälte eingeschaltet und ganz massiv versucht, Berichterstattung zu unterbinden – so auch bei CleanKids.

Per einstweiliger Verfügung – die im Übrigen gerichtlich auch wieder aufgehoben wurde – wurde Ökotest die Aussage „nicht verkehrsfähig“ untersagt.

Ganze fünf Monate dauerte es, bis der Hersteller Vulli mitteilte, daß Sophie ab März 2012 so produziert werde, daß die Grenzwerte auch in Deutschland eingehalten werden.

Ich frage mich nicht zum ersten Mal, warum eigentlich  den Aussagen von Unternehmen – die meist ausschliesslich wirtschaftlich denken und handeln – oft blind vertraut wird?

Ich würde mich im Zweifel immer pro Sicherheit und Gesundheit meiner Kinder entscheiden, da brauche ich auch überhaupt nicht nachzudenken.

Unternehmen aber, die derartige Geschütze auffahren, um eigentlich unstrittige Dinge zu unterdrücken haben mein Vertrauen endgültig verloren, auch wenn nun „Alles wieder gut sein sollte“!

 

Übrigens: Am 20.01.2011 hatte die Bundesregierung bei der EU-Kommission einen Antrag nach Artikel 114 Absatz 4 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestellt, um die deutschen Grenzwerte für Nitrosamine und nitrosierbare Stoffe beizubehalten.

Der Antrag wurde von Deutschland gestellt, weil die aktuellen EU-Grenzwerte nach Einschätzung nationaler Experten, zum Beispiel des Bundesinstituts für Risikobewertung, keinen ausreichenden Schutz der Gesundheit von Kindern gewährleisten.   Mit Beschluss vom 01.03.2012 hat die Kommission dem Antrag stattgegeben und die Grenzwerte bei krebserzeugenden und erbgutschädigenden Nitrosaminen übernommen.

Dies bedeutet, die deutschen Grenzwerte werden voraussichtlich ab Mitte 2013 EU-Weit übernommen – völlig zurecht wie ich finde.

Der Beschluss der EU-Kommission vom 1. März 2012 kann hier nachgelesen werden (PDF)

 Oliver Barthel / cleankids.de