Schon im Mutterleib auf Gesundheit programmiert – Empfehlungen zur Ernährung in der Schwangerschaft

An gut gemeinten Ratschlägen für werdende Mütter besteht wahrlich kein Mangel, eher im Gegenteil: Die Suche nach dem Stichwort „Gesunde Ernährung in der Schwangerschaft“ erbringt im Internet über neun Millionen Ergebnisse. Auch der Buchhandel überbietet sich mit Empfehlungen: „Mama-Food“, „Das Buch vom Bauch“, „Essen für zwei“ oder „Die Fünf-Elemente-Küche für Schwangere“ sind nur einige der Ratgeber, unter denen sich die Regale biegen. Schwangere, die nach diesen Informationen greifen, stoßen allerdings häufig auf widersprüchliche Aussagen, mit denen sie manchmal schlicht  überfordert sind.

Das sollte sich in Zukunft ändern, vermeldet erfreut die Stiftung Kindergesundheit. Maßgebliche Organisationen von Kinder- und Frauenärzten, Hebammen, Ernährungsexperten und Verbraucherschützern haben jetzt gemeinsame Handlungsempfehlungen formuliert, die den werdenden Eltern Sicherheit vermitteln sollen.
 
 
„Das Thema einer richtigen Ernährung in der Schwangerschaft ist dringender denn je“, sagt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Die Menge der dazu angebotenen Informationen ist zwar erdrückend, aber häufig leider von unterschiedlicher Qualität, missverständlich formuliert und nicht selten auch gewerblich motiviert“.
 
 
„Gleiche Botschaften für alle“, lautet deshalb das einprägsame Motto des Netzwerks „Gesund ins Leben“. Dieser Zusammenschluss von allen einschlägigen Fachgesellschaften, Institutionen und Verbänden hat sich zum Ziel gesetzt, werdenden Eltern und jungen Familien praktische, fundierte und vor allem einheitliche Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil zu vermitteln. Seine aktuellen „Handlungsempfehlungen zur Ernährung in der Schwangerschaft“ wurden unter Federführung von Professor Dr. Berthold Koletzko erarbeitet und von den Bundesministerinnen Ilse Aigner und Dr. Kristina Schröder in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert.
 

Verlässliche und fundierte Informationen

„Nur wenn alle beteiligten Berufsgruppen am selben Strang ziehen und die gleichen, verlässlichen und wissenschaftlich fundierten Informationen vermitteln, können wir dem unheilvollen und weiter wachsenden Trend zu falscher Ernährung, Übergewicht und Allergien Einhalt gebieten“, unterstreicht Professor Koletzko.

 
Die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten mahnt zu Eile, konstatiert die Stiftung Kindergesundheit:

Fast jedes dritte Baby entwickelt heute im Laufe seines Lebens eine Allergie

Etwa jede dritte Frau im gebärfähigen Alter ist übergewichtig, bis zu 14 Prozent müssen sogar als fettsüchtig („adipös“) angesehen werden.

Werdende Mütter nehmen heute während ihrer Schwangerschaft wesentlich mehr zu als vor 20 Jahren: Die Gewichtszunahme wuchs von durchschnittlich 13 Kilogramm früher auf 15 Kilogramm heute.

Wenn die Mutter mit Übergewicht in die Schwangerschaft startet, ist das Risiko für ein späteres Übergewicht und für die damit verbundenen Erkrankungen auch für das Kind deutlich erhöht. 

 

Nicht für zwei essen!

Das aktuelle Motto beim Essen in der Schwangerschaft lautet: „Für zwei denken, aber nicht für zwei essen“. Dazu Professor Koletzko: „Der Bedarf an Energie ist in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft kaum nennenswert erhöht. Auch später sind lediglich etwa 200 bis 300 Kalorien am Tag mehr nötig. Allerdings muss die werdende Mutter versuchen, mit diesen wenigen Zusatzkalorien eine deutlich erhöhte Menge an Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen zu sich zu nehmen, die ihr eigener Körper und der Organismus ihres Babys jetzt dringend brauchen. Gerade jüngere Frauen, die sich bis dahin aus Zeitmangel nur mit Junkfood und schnellen Riegeln ernährt haben oder aus Figurgründen gewohnt waren, auf vollständige Mahlzeiten zu verzichten, müssen jetzt radikal umdenken und sich über die richtige Zusammensetzung ihres Kostplanes ernsthafte Gedanken machen“.
 
Dazu sind allerdings keine speziellen Lebensmittel notwendig, betont die Stiftung Kindergesundheit. Bis auf wenige Ausnahmen, z.B. Folsäure und Jod und bei manchen Frauen auch Eisen, kann der Bedarf an gesunden Nährstoffen über die normalen, überall erhältlichen Lebensmittel gedeckt werden.
 
Die nun veröffentlichten Handlungsempfehlungen sollen die gemeinsame Basis für Empfehlungen zur Ernährung in der Schwangerschaft durch alle Berufsgruppen und Fachorganisationen sein, die Frauen mit Kinderwunsch und werdende Eltern informieren und beraten.
 
Die meisten Empfehlungen, auf die sich die Fachleute aus den verschiedenen Disziplinen geeinigt haben, sind schon lange bekanntes und anerkanntes Allgemeingut. So gelten auch für Schwangere die allgemeinen Empfehlungen für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung.

 

Sie lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:

Reichlich sollte es kalorienfreie oder kalorienarme Getränke und pflanzliche Lebensmittel geben.

Nur mäßig sollten tierische Lebensmittel gegessen werden, dabei bevorzugt fettarme Milch(-Produkte), fettarmes Fleisch, fettarme Fleischwaren und fettreiche (!) Meeresfische.

Sparsam sollten Fette mit hohem Anteil gesättigter Fettsäuren sowie Süßigkeiten und Snackprodukte verzehrt werden.

 

Auch fleischlos glücklich schwanger

Die neuen Handlungsrichtlinien berücksichtigen auch den wachsenden Trend zur vegetarischen Ernährung. Die Zahl der vegetarisch lebenden Menschen hat sich in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten offenbar mehr als verzehnfacht. Der Vegetarierbund Deutschland geht aktuell von sechs Millionen Vegetariern und Vegetarierinnen – das sind acht Prozent der Bevölkerung – und etwa 600 000 Menschen aus, die sich einer veganen Ernährung verschrieben haben.

 
Werdenden Müttern, die sich fleischlos ernähren, wird in den neuen Richtlinien folgendes empfohlen:

Eine vegetarische Ernährung mit Verzehr von Milch und Eiern (ovo-lacto-vegetarisch) kann bei gezielter Lebensmittelauswahl auch in der Schwangerschaft den Bedarf der meisten Nährstoffe decken.

Um eine ausreichende Eisenversorgung sicherzustellen, sollen nach entsprechender Blutuntersuchung und medizinischer Beratung gegebenenfalls Eisensupplemente eingesetzt werden.

Bei Verzicht auf den Verzehr von Meeresfisch sollten die Einnahme von Präparaten mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren erwogen werden.

Mit einer rein pflanzlichen (veganen) Ernährung sei dagegen eine ausreichende Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft auch bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl nicht möglich, betonen die Handlungsempfehlungen. Eine vegane Ernährung birgt ernsthafte gesundheitliche Risiken – insbesondere für die Entwicklung des kindlichen Nervensystems.

Bei einer veganen Ernährung sind immer eine spezielle medizinische Beratung und die Einnahme von Mikronährstoffsupplementen notwendig.

 

 

Vor Alkohol und Rauchen in der Schwangerschaft wird generell gewarnt. Hinsichtlich des Koffeins sind die Empfehlungen nicht ganz so streng: Bis zu drei Tassen Kaffee pro Tag werden als unbedenklich angesehen. Dagegen wird vom Konsum koffeinhaltiger Energiedrinks in der Schwangerschaft abgeraten.
 
Professor Koletzko: „Unsere Empfehlungen basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und werden von allen einschlägigen Fachgesellschaften, Institutionen und Verbänden inhaltlich unterstützt“.
 

Wer alles hinter dem Netzwerk „Gesund ins Leben“ steht

Die Lenkungsgruppe des Netzwerks „Gesund ins Leben“ setzt sich zusammen aus Vertretern verschiedener Institutionen und Verbänden. Dazu gehören der Berufsverband der Frauenärzte, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der deutsche Hebammenverband, das Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie/Asthma (pina), die Plattform Ernährung und Bewegung (peb), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie der „aid Infodienst“. Ansprechpartner ist die beim aid angesiedelte Geschäftsstelle des Netzwerks.
 
Derzeit sind annähernd 100 Organisationen Partner des Netzwerks.

Stiftung Kindergesundheit
www.kindergesundheit.de